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Unfähig irgendetwas zu tun oder gar zu
sagen stand ich da. Und, dass ich keine Worte fand war etwas, dass
nicht allzu oft vorkommt. Höchstens mal, wenn der eigene Mathelehrer
halbnackt in dem eigenen Zuhause saß. In diesen Moment ging mir so
vieles durch den Kopf. Einiges war nicht wirklich angenehm, da ich
über mein Kopfkino leider keine Kontrolle habe. Wahrscheinlich stand
auch noch mein Mund auf, so dass er meinen
„Guten-Morgen-Ich-habe-noch-keine-Zähne-geputzt“ Atem eigentlich
hätte riechen müssen, aber er saß ganz ruhig, man bemerke auf
MEINEN Stuhl und trank seinen Kaffee aus MEINER Tasse. Ich bin nicht
gegen das Teilen mit anderen Menschen, aber Kommunistin bin ich wohl
eher auch nicht und erst recht nicht bei meinen verhassten Mathelehrer.
Ich
machte mir zwar keine Gedanken, dass aus diesen One-Night-Stand etwas
ernstes wurde, aber Herr Müller könnte auch ein Psychopath sein.
Ja, ich war mir ziemlich sicher, dass er ein Psychopath war und
bestimmt irgendeinen ekligen Fetisch hatte, wie Füße, obwohl ein
Fuß-Fetisch wäre vielleicht noch einigermaßen zu ertragen. Ich
bin, aber fester Überzeugung, dass er nicht ganz sauber ist. Allein
seine Berufswahl sprach doch Bände. Während ich über Fetische und
über psychopathische Lehrer nachdachte, wurde mir bewusst, dass ich
immer noch auf der gleichen Stelle stand. Denn wenn ich ihn weiter so
anstarrte, würde ER mich noch für gestört halten.
Ich sagte mir
innerlich, dass alles halb so schlimm so war und ich am besten den
Rückzug antreten sollte. Leise und vorsichtig damit er auch wirklich
nichts mitbekam. Ja, leise und vorsichtig war noch nie so meine
Stärke. Es passierte, was passieren musste. Ich war glücklicherweise
schon auf der ersten Stufe der Treppe angelangt als sie unter mir
nach gab und zerbrach. Es gab ein lautes Kraches und seltsamerweise
bemerkte er gar nichts.
Langsam fühlte ich mich etwas verarscht und
glaubte er ignorierte mich mit Absicht um sich über mich lustig zu
machen. Und natürlich steckte ich fest in der Stufe mit meinen Fuß.
Das ist ein guter Morgen a la Skye Koslowski.
Ich stand da und wusste
nicht, was ich nun machen sollte, da ich 1. festsaß und 2. Mein
werter Mathelehrer sich entschlossen hatte mich zu ignorieren. Ein
Glück sah ich einen Schuh ein paar Meter von mir entfernt liegen,
wenn ich dem Müller den an den Kopf werfen würde könnte er mich
gar nicht ignorieren. Das hörte sich für mich nach einen grandiosen
Plan. Eine kleine Beule an seinen Kopf muss man da schon in Kauf
nehmen.
Ich versuchte also an den Schuh heran zu kommen und war schon
fast am aufgeben als ich ihn endlich erreichte. Ich warf und genau in
dem Moment drehte sich Herr Müller um samt Kaffeetasse. Natürlich
schaute er leicht entsetzt als der Schuh sich auf ihn zu bewegte. Er
landete direkt in seinen Gesicht und er ließ MEINE Tasse fallen.
Also zumindest mein Sportlehrer wäre auf diesen Wurf stolz auch wenn
mein Mathelehrer nicht gerade glücklich aussah. Wenigstens widerlegte
ich alle seine Wahrscheinlichkeitsrechnungen, denn das was mir
gestern und heute an Peinlichkeiten passiert war, sprengte jeden
Rahmen. Wenigstens war es für Herrn Müller erfreulich, falls er
wirklich einen Fuß Fetisch hat.
„Skye, warum wirfst du mir einfach
so einen Schuh in mein Gesicht?“, schrie er mich an.
„Das wollte
ich doch gar nicht. Ich wollte nur..“, versuchte ich, aber er
unterbrach mich einfach. „Es ist mir vollkommen egal, was du
wolltest. Es geht darum was du getan hast egal aus welchen
Beweggründen. Ich bin dein Lehrer. Ich sollte eine Respektsperson
für dich sein. Du kannst nicht einfach Schuhe nach mir werfen!“
fuhr er fort.
Da platzte mir total der Kragen und ich schrie ihn
entgegen: „Mein Lehrer??! Welcher Lehrer schläft denn mit der
Mutter seiner Schülerin? So etwas tut nur ein anstandsloses Schwein.
Und ich soll vor ihnen noch Respekt haben?“.
Ich war so wütend auf
ihn, dass ich so fest an meinen Fuß zog das er endlich frei, denn in
diesen Moment waren Fußschmerzen das aller letzte an das ich dachte.
Ich schnappte mir meine Sachen und rannte zur Tür hinaus. Draußen
vor Tür konnte ich nicht glauben was gerade passiert war. Ich hätte
natürlich nicht so ausrasten dürfen. Er hatte Recht. Trotz dieser
Umstände war er immer noch mein Lehrer und somit habe ich ihn
wenigstens ein bisschen zu achten, aber ehrlich gesagt in dem Moment
war es mir einfach scheißegal. Ich wusste nicht was ich tun sollte.
Ich stand da und war planlos. In die Schule wollte ich nicht
wirklich, da ich ihn zwangsläufig begegnet wäre. Was blieb mir da
noch übrig?
Ich entschied mich kurzerhand einfach zu Noah zu gehen.
Er verstand mich und würde mich nicht verurteilen, dachte ich. Also
schnappte ich mir mein Moped und fuhr los. Als ich vor seinen Haus
ankam, hoffte ich das er noch nicht weg war. Ich lief zur Tür und
genau in dem Moment kam er auch schon heraus spaziert. Er schaute
mich verwirrt an und sagte: “ Skye? Was machst du hier? Kriegst wohl
nicht genug von mir.“, aber als er meinen Gesichtsausdruck
bemerkte, schwand sein Lächeln. “ Was ist passiert?“, fragte er
nun besorgter. „Ich hab etwas richtig dummes getan. Ich kann heut
nicht die Schule.“ Er kam näher und schlug vor: “ Erzähl erst
einmal, was überhaupt passiert ist. Und was zur Hölle ist mit
deinen Fuß passiert?“ Den hatte ich schon fast vergessen bei
meiner kleinen Panikattacke.
Ich setzte mich auf die Stufen vor
seiner Eingangstür und erzählte ihn die ganze Geschichte. Im ersten
Moment bekam er so einen Lachkrampf, dass ich schon befürchtete er
würde sich noch einpinkeln. Ich fand das ganze nicht mehr zum Lachen. Als er fertig mit Lachen war, bemerkte er: “A lso echt Skye,
Du ziehst Peinlichkeiten und Pech irgendwie magisch an. Es hört sich
so absurd an, dass es schon wieder lustig ist. Lass uns heute einfach
schwänzen und morgen wird er das schon wieder vergessen haben.“
Ich glaubte nicht daran, dass es so einfach war, aber zumindest hatte
ich jemanden mit dem ich den Tag verbringen konnte, der mich gut von
allen ablenken konnte.
So gingen wir wieder ins Haus zurück und
frühstückten erst einmal ausgiebig, da mein Morgen bis jetzt leider
kein Frühstück beinhaltet hatte. Nachdem Frühstück setzten wir
uns vor dem Fernseher um ein paar Aggressionen beim Call of Duty etc.
spielen abzubauen. Nebenbei redeten wir über alles mögliche, wie
unsere Kindheit und überlegten uns was für ein Leben wir denn
einmal führen wollten.
„Ich weiß nicht. Ich bin erst seit 17
Jahren auf der Welt, woher soll ich wissen, was ein richtiges Leben
ist. Jeder möchte später einen guten Beruf, Familie und ein Haus
haben. Wieso? Das Leben bietet einen doch so viel mehr als sich auf 3
Dinge zu beschränken? Natürlich gibt es auch noch kleinere Dinge im
Leben, aber warum wollen alle genau diese 3 Dinge? Warum sollte man
das gleiche Leben, wie alle anderen führen, wenn man doch alles
machen kann? Ich möchte nicht einfach nach meinen Abitur ein Studium
beginnen, dann heiraten, Kinder kriegen und dann ein nettes Haus
bauen. Natürlich vielleicht kommt das auch irgendwann, aber so macht
es doch jeder. Es geht mir nicht darum anders zu sein, aber ich
möchte das was mir dieses alles zu bieten hat auch alles ausnutzen.
Ich möchte im Alter auf mein Leben zurückblicken und sagen: Ja, du
hast das Leben geführt, welches du dir gewünscht hast und jede
Möglichkeit, die sich dir geboten hat genutzt. Ich möchte nicht
berühmt werden oder eine Seuche heilen, aber ich möchte ein für
mich bedeutungsvolles Leben führen. Hört sich das dämlich an?“ meinte ich dann.
Noah lachte:“ Also eigentlich wolltest du mir
jetzt YOLO sagen oder?“ Ich schlug ihn und er meinte doch: “ Nein, war
nur ein Witz. Ich verstehe das. Es hört sich richtig an, das ist
glaube ich auch einfach der Sinn des Lebens. Denn jeder definiert es
einfach anders. Für einige ist Leben einfach nur möglichst
problemlos dadurch zukommen und einfach nach Plan zu leben. Andere
wollen das Leben mit allen seinen Problemen und haben kein Problem
irgendwo anzuecken.“ Nachdem er mich schon zum 3. mal in Folge bei
Call of Duty besiegt hatte, gab ich auf. Er meinte, er hätte ein
Wundermittel zum Vergessen letztens gefunden. Und da ich Herrn Müller
immer noch nicht aus dem Kopf bekam, ließ ich es ihn holen. Ein paar
Minuten später kam er mit einer Flasche Wodka wieder. Ich bin
eigentlich gar nicht so der Alkohol Fan, aber harte Zeiten
erforderten harte Maßnahmen. Es gab wahrscheinlich schlimmeres als
einen Lehrer anzuschreien und ihm einen Schuh gegen den Kopf zu
werfen, aber in diesen Moment kam es mir vor wie der Supergau.
Wir
tranken, lachten und redeten über Gott und die Welt. Nach einiger
Zeit wurde mein Gehirnaktivität immer schwächer und ich merkte, wie
der Alkohol sich bemerkbar machte. Ab da war ich wahrscheinlich nicht
mehr wirklich zurechnungsfähig und Noah auch nicht. Wir erzählten
nur noch Mist und schmiedeten Pläne, wie wir Herrn Müller loswerden
könnten. Völlig sinnlose, unmögliche Dinge kamen dabei natürlich
nur heraus obwohl ich mich im Nachhinein an nicht mehr wirklich viel
erinnern konnte. Als Stille einkehrte sahen wir uns nur an. Es war
irgendwie seltsam, denn Herr Müller und alles andere war weg.
Alkohol sei Dank! Ich sah Noah an und auf einmal küsste ich ihn. Es
kam einfach über mich. Ich hatte es nicht geplant. Als unsere Lippen
sich berührten war es seltsam.
Er und ich spürten das und lösten
und sofort. Wir verfielen sofort in einen Lachkrampf. Wir brauchten
nichts sagen. Jeder von uns beiden wusste, was der andere dachte. Es
war total seltsam und falsch. Ich kam mir vor als hätte ich meinen
Bruder geküsst. Noah sah es genauso. Wir lachten, redeten und
machten allen möglichen Mist den ganzen Tag lang und ich vergaß
alles. Ich war glücklich. Leider musste ich mich irgendwann meiner
Mutter stellen.
Am späten Abend kehrte ich nach Hause zurück und
hoffte sie schlief schon. Das war natürlich nicht der Fall, denn ich
konnte Geräusche aus ihren Schlafzimmer hören und leider war auch
Herr Müllers Stimme zu hören. Ich schlich mich in mein Zimmer und
ging sofort schlafen, um einen Kater zu vermeiden.
Als ich am Morgen
erwachte merkte ich schon wie wenig das „zeitig“ schlafen gehen
gebracht hatte. Ich fühlte mich als wäre ein Zug über mich hinweg
gerollt und dieses Geräusch würde mich immer quälen. Alles
erschien mir zu laut und viel zu hell. Ich schleppte mich ins Bad und
vermied jeden Blick in den Spiegel. Ich sollte nicht noch vor Schreck
in Ohnmacht fallen. Ich suchte meine Sonnenbrille und setzte diese
auch gleich auf, damit es nicht so auffällig war. Unten wollte ich
direkt zur Tür hinaus gehen, aber leider war meine Mutter schon wach
und hatte anscheinend nicht vor mich zu verschonen. Die nächste
halbe Stunde redete sie ohne Punkt und Komma. Ich verstand, dass sie
sauer war, aber musste sie denn so laut reden? Ich hatte das Gefühl
mein Kopf platzt gleich. Sie forderte ich solle mich bei „Paul“
entschuldigen und mein Handy wurde eingezogen, da sie nicht der
Hausarrest-Typ war.
Ich ging nach ihren Vortrag ganz normal zur
Schule, da ich auf Noah vertraute und hoffte alles wäre halb so
schlimm. Dem war leider nicht so. Ich wurde sofort zum Direktor
gebeten wegen meines unentschuldigten Fehlens. Er brummte mir
Nachsitzen auf, was mir aber recht war, da „Paul“ sowieso
wahrscheinlich zuhause bei mir seien würde und ich auf ihn gut und
gerne verzichten konnte.
Die nächsten Wochen waren nicht wirklich
spektakulär. Herr Müller ignorierte mich jedes Mal im Unterricht,
wie auch bei mir Zuhause. Leider war er nun doch nicht nur ein
One-Night-Stand sondern es schien sogar recht ernst zu sein. Meine
Mutter bekam ich kaum noch zu sehen und wenn wir uns sahen war es
angespannt zwischen uns. Ich schwänzte nun auch des öfteren mit und
auch ohne Noah, da ich auf Mathe Unterricht gern mal verzichtete und
ich trank auch öfter, was ich früher nie getan hatte. Das heißt
mit mir ging es extrem bergab. Natürlich gab es viele Leute, denen
es schlechter gab, aber zu meiner vorherigen Situation gesehen war es
schon nicht ganz so einfach. Noah machte sich auch inzwischen Sorgen,
aber es war mir alles egal.
Eines Abends kam ich nach Hause und hörte
meine Mutter weinen. Sie saß auf dem Sofa und hatte ein
fürchterlichen Bluterguss am Arm. Ich ging zu ihr:“ Mama, was ist
passiert?, fragte ich. Sie antwortete nicht und ich fragte erneut und
setzte mich zu ihr. Sie meinte, ihr wurde heute ihr Job gekündigt.
Der Bluterguss soll aus reiner Unvorsichtigkeit entstanden sein. Ich
nahm sie in den Arm und sagte, dass alles wieder gut werden würde.
Auch mit weniger Geld würden wir es schon schaffen. Sie hatte, aber
leider eine Möglichkeit um nicht mit weniger Geld leben zu müssen.
Sie überlegte mit „Paul“ zusammen zuziehen und mir stockte der
Atem. Das war das aller letzte, was ich wollte, lieber würde ich
unter Brücke schlafen. Ihr war diese Idee leider nicht auszureden
und so ging ich letztlich einfach schlafen.
Der nächste Morgen war
nicht wirklich besser. Meine Mutter machte einen auf glückliche
Familie und hatte mir sogar freudestrahlend mein Essen gemacht.
Leicht verwirrt, was ihren Stimmungsumschwung verursacht hatte, ging
ich in die Schule. Am Abend erfuhr ich, dass Herr Müller ihr einen
Heiratsantrag gemacht hatte. Nach drei Monaten?? Ich war total
geschockt. Es ist nicht so, dass ich meiner Mutter keinen neuen Mann
gönnen würde. Ich habe es mir sogar öfter gewünscht, aber nicht
Herr Müller. Er kam mir einfach falsch vor.
Ich wurde immer deprimierter und sank
auch in der Schule ab. Ein paar Wochen später sah ich immer öfter
Blutergüsse an meiner Mutter, aber sie winkte ab und meinte sie sei
einfach ein extrem tollpatschiger Mensch. Langsam glaubte ich ihr
nicht mehr und machte mir immer mehr Sorgen um sie. Denn ich bekam
das seltsame Gefühl, dass Herr Müller etwas damit zu tun hat nicht
aus dem Kopf. Ich fing ihn nach der Schule ab, um mit ihm zu
reden.“ Herr Müller, haben sie kurz einen Moment?“, fragte ich
ihn.
„Aber auch nur wenn es schnell geht,
Skye.“
„Natürlich Herr Müller.“ Ich
setzte meine freundlichstes Gesicht auf.
„Gut, was gibt es denn so
dringendes?“
„Ist ihnen an meiner Mutter nicht
auch in letzter Zeit etwas aufgefallen? Vielleicht diese mysteriösen
Blutergüsse.“
„Deine Mutter ist einfach sehr
tollpatschig, aber genau deshalb Liebe ich sie auch.“
Das Wort Liebe in Verbindung mit meiner
Mutter aus seinen Mund zu hören, ekelte mich an.
„Irgendwie glaube ich ihnen da nicht.
Wenn ich rausbekomme, dass sie das waren dann..“
„Dann was? Willst du mich anzeigen?
Willst du mich rausschmeißen? Selbst, wenn ich daran Schuld wäre,
könntest du rein gar nichts machen. Deine Mutter liebt mich und
würde alles für mich tun, akzeptiere das. Du bist hilflos und wenn
du irgendetwas versuchst, dann sorge ich persönlich dafür, dass
dein Leben nicht mehr so schön bleibt wie es ist!“
Damit drehte er sich um und stieg in
sein Auto. Ich stand noch eine Weile an der gleichen Stelle und war
schockiert. Ich wusste gar nichts mehr. Ich war vollkommen leer. Das
einzige, was ich noch spürte war Hass auf Herrn Müller...